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Leserbrief an die MZ Quedlinburg (28. 2. 2014, Dr. Werner Wandelt) zum Thema Baumwipfelpfad am Bodetal bei Thale

Ohne Hinweise auf die rechtlichen Aspekte ist das Pro und Kontra bezüglich eines Baumwipfelpfades nicht ganz verständlich. Wir erkennen vielleicht als Bürger zu selten, dass es in aller Regel um Interessenabwägungen geht – auf der Grundlage des geltenden Rechtes. Und dies gilt eben für alle. Es gibt auch Pflichten gegenüber den künftigen Generationen, denen eine intakte Natur gesichert werden muss. Deswegen gibt es z. B. das Landschaftsschutzrecht. Auf dieses wird im nachfolgenden Leserbrief hingewiesen.

 Der Konflikt bezüglich Baumwipfelpfad am landschaftlich einmalig schönen und erdgeschichtlich besonders interessanten Bodetal bei Thale ist vielgestaltig. Ein Kernpunkt dabei ist, dass sich die Vorhabensfläche überwiegend in einem Gebiet befindet, welches einen gesetzlichen Naturschutzstatus aufweist - die Fläche gehört zum Landschaftsschutzgebiet „Harz und nördliches Harzvorland“. Diese Naturschutzkategorie ist auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes im Landesnaturschutzgesetz von Sachsen-Anhalt verankert. Dieser Schutzstatus beinhaltet allgemein immer eine Beschreibung des Schutzzweckes, u. a. aber auch bestimmte Verbote, die zur Gewährleistung des Schutzzweckes notwendig sind. Im konkreten Fall ist es verboten, bauliche Anlagen aller Art zu errichten. Deswegen – so sieht der ehrenamtliche Naturschutz dies - kann hier kein Baumwipfelpfad errichtet werden. Die Stadt Thale meint offensichtlich, dass der gesetzliche Landschaftsschutz zwar zu beachten ist, eine Befreiung von dem genannten Verbot aber gefordert und erlangt werden kann. Dabei geht es um ein technisches Großbauwerk „Baumwipfelpfad“ dass mit einer Teilstrecke von rund 150 m Länge und einer Höhe von durchschnittlich 16 m aus allen Richtungen voll sichtbar an der Abbruchkante des Bodetales und damit an der Grenze des Naturschutzgebietes entlang führt.

Wie sieht die von allen beteiligten Akteuren zu beachtende rechtliche Situation aus?

Landschaftsschutzgebiete werden durch die zuständige Kreisverwaltung durch eine Verordnung als solche erklärt – fachlich zuständig ist die Untere Naturschutzbehörde. Die Unterschutzstellung des Landschaftsschutzgebietes „Harz und nördliches Harzvorland“ (hier Altkreis Quedlinburg), erfolgte am 4. 2. 1994 durch den damaligen Landrat (Landrat Mahlo). Sie gilt unverändert fort.

Für die Bewertung der Problematik eines Baumwipfelpfades am Bodetal bei Thale ist es erforderlich, die Festlegungen in der Verordnung über das genannte Landschaftsschutzgebiet zu kennen. So wird in dieser Verordnung zum Schutzzweck gesagt ( § 2), dass der Charakter des Landschaftsbildes insbesondere bestimmt wird durch das Freisein des Außenbereiches von Bebauungen. Es ist besonderer Schutzzweck der Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet, dass das Gebiet in seiner Erscheinung erhalten und weiterentwickelt und dass es von Bebauung frei gehalten wird. Das Landschaftsschutzgebiet ist als Pufferzone zu angrenzenden Naturschutzgebieten zu nutzen. Im Landschaftsschutzgebiet   ist es unter anderem verboten, bauliche Anlagen aller Art zu errichten (§ 4 Verbote). Von den Verboten und Geboten dieser Verordnung kann die Untere Naturschutzbehörde auf Antrag Befreiungen gewähren (§ 8 Befreiungen), wenn z. B. 1.das Verbot eines Bauvorhabens zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung von dem Verbot mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist und 2.wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern.

Aus den in der Tagespresse veröffentlichten Aussagen wird deutlich, dass   die Stadt Thale der Meinung ist, dass das geplante Bauvorhaben dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes nicht entgegensteht, dass die Realisierung des Bauvorhabens „Baumwipfelpfad“ mit den Belangen des Naturschutzes und dem Erhalt des unverbauten Landschaftsbildes zu vereinbaren ist und dass überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern.

 Die im Landkreis Harz aktiven Naturschutzverbände sehen dies völlig anders und haben deswegen auf der Jahreshauptversammlung der Naturschutz- und Umweltverbände des Landkreises Harz (15. 2. 2014) festgestellt: „Der geplante Baumwipfelpfad am NSG Bodetal wird von den Naturschutzverbänden abgelehnt, da von ihm negative Beeinträchtigungen auf das NSG , auf das FFH und auf das europäische Vogelschutzgebiet Bodetal ausgehen bzw. ausgehen können.“ Der Bund für Natur und Umwelt Sachsen-Anhalt (BNU) ist dabei der Auffassung, dass im vorliegenden Fall das öffentliche   Interesse des Landschaftsschutzes, d. h. der Erhalt des technisch unverbauten Bodetales, eindeutig das kommunale und das privatwirtschaftliche Interesse an der kommerziellen Nutzung von geschütztem Naturraum überwiegt. Die Funktionen des Baumwipfelpfades wie vom Vorhabensträger vorgesehen können auch an anderer Stelle realisiert werden, wo das zu schützende Landschaftsbild nicht oder deutlich weniger negativ beeinträchtigt wird.

Die Entscheidung zu dem bestehenden Konflikt muss die Untere Naturschutzbehörde des Harzkreises treffen. Dazu muss die Stadt Thale einen Antrag auf Befreiung von den Verboten nach § 6 der   Landschaftsschutzverordnung stellen. Einen Bescheid dazu gibt es noch nicht. Die Untere Naturschutzbehörde hat allein nach naturschutzfachlichen Aspekten zu entscheiden. Sie unterliegt dabei auch der Fachaufsicht durch die Obere Naturschutzbehörde.

 

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