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Neue Fakten zum Thema Baumwipfelpfad Thale

Eine leider nicht positive Geschichte zum Umgang mit unserer Natur und mit dem geltenden Umweltrecht – bitte lesen !

Die inzwischen 10. Variante des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 19 der Stadt Thale „Baumwipfelpfad Roßtrappe“ wurde mit Datum 30. 12. 2013 erstellt und dann Anfang Januar 2014 den Trägern öffentlicher Belange mit der Bitte um Stellungnahme zur Kenntnis gegeben.

Weshalb hat es zu diesem Vorhaben inzwischen eine 10. Planvariante gegeben ?

Hat hier jemand gebremst ?

Nein - der Antragsteller selber trifft dazu eine Aussage:

„Nach der letzten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der öffentlichen Auslegung des Entwurfs vom 2. Mai 2012 des o. g. Planvorhabens haben sich in der Folge, auch unter Berücksichtigung der eingegangenen Hinweise, einige Änderungen ergeben. Der vorliegenden Variante 10 liegt außerdem die Zielstellung zugrunde, den Baumwipfelpfad barrierefrei zu gestalten. Um ein konstantes Gefälle von 7 % realisieren zu können, musste der Pfad auf ca. 700 m verlängert werden.“ Daraus ergaben sich Veränderungen in den Abständen der Stützen und deren Höhen.

Für die in der 10. Variante erfolgte Umstellung des Vorhabens auf eine barrierefreie Gestaltung gibt es einen einfachen Grund: Wenn überhaupt, kann es nur bei einer barrierefreien Gestaltung eine staatliche Förderung des Vorhabens geben !

Für die Zusammenstellung und Prüfung der Hinweise zum Vorhaben (u. a. Umweltbericht, Prüfung der Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des angrenzenden FFH- und Vogelschutzgebietes beauftragte die Stadt Thale als Vorhabensträger das Planungsbüro Architektur * Stadt * und Dorfplanung Khurana (Aschersleben). Außerdem wurde dieses Büro beauftragt, eine Abwägung aller vorgetragenen Hinweise und Einwendungen zum Vorhaben vorzunehmen und einen Abwägungsvorschlag zu unterbreiten.

Dazu hat das genannte Büro allen Beteiligten Kurzfassungen der Einwendungen zu den zu prüfenden Sachpunkten übermittelt. Die Stellungnahmen von 41 Trägern öffentlicher Belange (Behörden, Stadtverwaltungen und anerkannten Naturschutzverbände) zu dem Vorhaben wurden zusammengestellt. Außerdem wurden auch die Stellungnahmen von Bürger erfasst. Zu 24 Sachpunkten liegt eine Zusammenstellung aller getroffenen Aussagen vor.

 

Beispielhaft sollen die Stellungnahmen zu der Vorhabensplanung für den Sachpunkt 2 – das Landschaftsbild- vorgestellt werden:

 

  1. Landesverwaltungsamt:

Das Vorhaben stellt trotz der Umsetzung von Minimierungsmaßnahmen einen Eingriff insbesondere in das Landschaftsbild dar. Der Eingriff in das Landschaftsbild ist nur durch eine Standortverschiebung in eine weniger exponierte Lage möglich.

 

  1. Obere Naturschutzbehörde:

Die Bedenken bezüglich des Eingriffes in das Landschaftsbild bleiben bestehen. Das waldpädagogische Bildungsziel kann auch an einer anderen, nicht so exponierten Stelle erreicht werden. Nach Auswertung der aktuellen Visualisierung ist festzustellen, dass der Eingriff in das Landschaftsbild dennoch die Erheblichkeitsschwelle nicht unterschreitet. Auch die aktuelle Variante ist weiterhin als technologisches Bauwerk sichtbar und führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Das geplante Vorhaben stellt nach wie vor einen erhebliche Eingriff in das Landschaftsbild dar, der durch eine weitere Rückverlegung des Baumwipfelpfades in den Wald hinein sowie eine weitere Verringerung der Bauhöhe vermeidbar oder zumindest verminderbar wäre.

 

  1. Landkreis Harz – Umweltamt/ Untere Naturschutzbehörde:

Die Variante 9 führt nach Auffassung der unteren Naturschutzbehörde zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Natur und Landschaft, welche nicht vollständig ausgleichbar und weiterhin am vorliegenden Standort kaum mit den Belangen des Naturschutzs und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist.

Die vorgenommene Visualisierung gibt dennoch gut wieder, dass weiterhin von einer beträchtlichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auszugehen ist, da der Baumwipfelpfad von mehreren wichtigen im Plan angegebenen Aussichtspunkten offensichtlich deutlich zu sehen sein wird.

 

  1. Regionale Planungsgemeinschaft Harz:

Unseres Erachtens wird hiermit ( gemeint ist eine Externe Erstaufforstung als Ausgleichsmaßnahme in Gernrode) lediglich die Entnahme von Gehölzen kompensiert (Ausgleich), nicht jedoch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Bodetal. Hier sollte ein funktionaler Ausgleich im Bodetal erfolgen.

 

  1. NABU Sachsen-Anhalt:

Die im Umweltbericht dargelegte Beurteilung des Vorhabens bezüglich des Landschaftsbildes kann vom BABU Sachsen-Anhalt nicht mitgetragen werden. Es wird sich – mit dem Bau des Baumwipfelpfades in dem vorgesehenen Bereich am Oberhang zum Bodetal – der Charakter des hochwertigen Landschaftsbildes nachhaltig verändern. Dies kann nicht ausgeglichen werden.

Das Gebiet ist nach wie vor als Naturpark und als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, um u. a. den Charakter der Landschaft und das Landschaftsbild zu erhalten. Mit dem geplanten Baumwipfelpfad wird beides beeinträchtigt.

 

  1. Bund für Natur und Umwelt (BNU) Landesverband Sachsen-Anhalt:

Auch bei der jetzt veränderten Trassenführung bleibt das Bauwerk etwa ab Stütze Nr. 18 im Landschaftsbild sichtbar. Das Landschaftsbild wird dadurch irreversibel verschlechtert.

Der BNU vertritt eine klare Position: Die Vermittlung von ökologischen-, Naturschutz- und Waldwirtschaftswissen rechtfertigt nicht eine Verbauung und Vernutzung eines einmaligen Landschaftsbildes.

 

  1. Naturschutzwacht Thale und Harzklubzweigverein Thale:

Die Beurteilung der (Auswirkung) des Vorhabens auf das Landschaftsbild wird von uns nicht mitgetragen. Der Charakter des Landschaftsbildes am Oberhang zum NSG Bodetal wird sich nachhaltig verändern und dies kann nicht ausgeglichen werden.

 

  1. Landschaftspflegeverband:

Das anvisierte pädagogische Ziel kann mit weniger drastischen Eingriffen (auch) am Boden erreicht werden. Die negativen Folgen für das einmalige Landschaftsbild im Bodetal sind gravierend.

Mit dem technischen Bauwerk wird das Erscheinungsbild des unverbauten Bodetals erheblich beeinträchtigt und dauerhaft verändert. Derartige Veränderungen des Landschaftsbildes können durch Ausgleichsmaßnahmen nicht kompensiert werden.

Einmalige Landschaftsbilder, wie die des Bodetals, müssen prinzipiell vor baulichen Veränderungen und anderen störenden Faktoren verschont werden. Sie verlieren sonst gerade das Alleinstellungsmerkmal, das Touristen gerade erleben wollen.

 

  1. Es haben sich auch mehrere Bürger geäußert.

Eine Meinung soll stellvertretend für alle anderen zitiert werden:

„Gegen Baumwipfelpfade an sich ist ja nichts auszusetzen, aber die Aussichtsplattform über dem Bodetal wäre doch von allen Seiten, besonders auch vom Hexentanzplatz, deutlich sichtbar ! Gerade aber die Wildheit, Schroffheit und Naturbelassenheit des Bodetals sind einzigartig. Es wäre so schade, wenn diese Einzigartigkeit durch unüberlegte Bauprojekte zerstört und das Landschaftsbild derart verschandelt würde.“

Offensichtlich wird von keinem der beteiligten Trägern öffentlicher Belange, aber auch von keinem Bürger, eine eher positive Bewertung des Vorhabens bzw. Auswirkung auf das Landschaftsbild vorgetragen

 

Es ist bemerkenswert, dass alle zuständigen Fachbehörden darauf verweisen, dass durch das geplante Bauwerk das einmalige Landschaftsbild erheblich negativ beeinträchtigt wird.

 

Die Sicht des Planungsbüros

Dies beeindruckt nicht das mit der Interessenabwägung beauftragte Planungsbüro Khurana. Dieses kommt zu einer anderen Auffassung, die hier nur in Kurzform wiedergegeben werden kann:

 

Im Zuge der Planung werden die Möglichleiten der Minimierung der möglichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes genutzt.

Die Zielfunktionen des Vorranggebietes für Natur und Landschaft werden durch die „primär waldpädagogische Anlage“, die das Verständnis für Natur und ökologischen Landbau fördern soll, erreicht.

 

Der waldpädagogisch- bildende Aspekt steht im Fordergrund – daher wird auch mit der Waldlandschaft pfleglich umgegangen.

 

Zudem wird das Landschaftsbild an anderer Stelle im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen aufgewertet ( in der Flur Gernrode !).

 

Der Standort ist optimal für alle Belange.

 

Die zu schützende Naturlandschaft „Bodetal“ wird durch die Lange des Bauwerkes nach Ansicht des Vorhabensträgers und der Stadt Thale nicht unzulässig und nicht irreversibel geschädigt.

 

Das Vorhaben wird sich in das Landschaftsbild einfügen. Die Eignung des Gebiets für die ungestörte Erholung in Natur und Landschaft wird nicht erheblich beeinträchtigt.

 

Der Entscheidungsvorschlag für den Stadtrat Thale lautet zu dem oben genannten Sachpunkt:

Der Hinweis, dass die zu schützende Naturlandschaft „Bodetal“ durch die Lage des Bauwerkes nach der Planung 2012 unzulässig beeinträchtigt wird, wird zurückgewiesen. Die Lage (des Baumwipfelpfades) zum Plan 2012 bleibt unverändert.

 

Für die allermeisten Sachpunkte, die Gegenstand der Abwägung sind, werden analoge Entscheidungsvorschläge für den Stadtrat vorgeschlagen:

Die Hinweise werden zurückgewiesen. Die Planung wird nicht geändert.

 

Diesen Entscheidungsvorschlägen ist der Stadtrat Thale am 4. 9. 2014 in namentlicher Abstimmung ohne inhaltliche Prüfung oder Durchführung einer eigenen Abwägung in allen Sachpunkten einstimmig gefolgt. Damit wurde der Bebauungsplan „Baumwipfelpfad“ beschlossen.

 

Dabei gab es ein außerordentliches Ereignis.

Es war bekannt, dass ein Stadtrat zum Baumwipfelpfad bereits im Vorfeld eine andere Meinung vertrat. Deswegen wurde gegenüber diesem Stadtrat ein Mitwirkungsverbot an der Beschlussfassung ausgesprochen.

 

Rechtlich war die Zustimmung zum Bauvorhaben die Voraussetzung dafür, dass die Stadt Thale nun eine Befreiung vom Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet Harz und nördliches Harzvorland bei der Kreisverwaltung beantragen konnte.

Der überwiegende Teil der Waldfläche, die für den Baumwipfelpfad benötigt wird, liegt im Landschaftsschutzgebiet. Die Verordnung dazu stammt aus dem Jahr 1994.

Der § 4 1. sagt aus, dass es im Landschaftsschutzgebiet verboten ist, bauliche Anlagen aller Art zu errichten.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt waren viele engagierte Naturschützer im Landkreis Harz der Hoffnung, dass angesichts der klaren Aussagen der Fachbehörden und der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Harz die Kreisverwaltung keine Befreiung von diesem Bauverbot ausspricht. Ohne diese Befreiung (die ein reiner Verwaltungsakt ohne Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und ohne Beteiligung des Kreistages ist) kann z. B. das Bauvorhaben Baumwipfelpfad nicht realisiert werden.

 

Der Erwartung folgte eine herbe Enttäuschung – was tun ?

Unmittelbar nach dem Beschluss des Stadtrates Thale wurde bei der Kreisverwaltung die Befreiung vom Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet beantragt. Und wieder ging es ganz schnell mit der Behördenentscheidung: Bereits am 30. 9. 2014 erteilt die Kreisverwaltung die gewünschte Befreiung von Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet. Und welcher Zufall – dem ging eine Veränderung in der Leitung der Unteren Naturschutzbehörde voraus.

 

Gegen diese Befreiung erfolgte am 12. 10. 2014 ein Einspruch von ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten. Auf diesen Einspruch erfolgte am 20. 2. 2015 folgende schriftliche Antwort der Kreisverwaltung:

Es besteht ein öffentliches Interesse an der Umsetzung des B-Planes und Bau des Baumwipfelpfades (u.a. Umweltbildung). Es wird kein möglicher Konflikt mit dem Schutzziel der Landschaftsschutzgebietverordnung gesehen. Das Gesamtlandschaftsbild wird nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt. Mögliche Konflikte bezüglich NATURA 2000 und NSG sind nicht zu erkennen. Die Behörde schließt sich insoweit ausdrücklich der Prüfung der Stadt Thale als zuständige Behörde im B-Plan-Verfahren an.

 

Damit blieb dieser Bürger- Einspruch ohne Erfolg.

Widerspruch des NABU

Seiten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) wurde Ende Oktober 2014 ein Widerspruch gegen die landschaftsschutzrechtliche Befreiung von den für das Landschaftsschutzgebiet geltenden Verboten eingelegt.

Dabei handelt es sich aktuell noch um ein schwebendes Verfahren.

 

War eigentlich der Ausschluss eines Stadtrates von der Beschlussfassung (in Sachen Baumwipfelpfad) durch den Stadtrat Thale gerechtfertigt ? Nein- natürlich nicht.

Dies hat die Kommunalaufsicht des Landkreises Harz (nach einem entsprechenden Prüfantrag) am 15.12. 2014 festgestellt.

Die Konsequenz davon ist, dass der Beschluss des Stadtrates Thale zum Vorhaben nicht rechtskräftig ist. Damit hat auch die Befreiung der Kreisbehörde ihre Rechtskraft verloren. Dies ist eine Chance, noch einmal die Abwägungsunterlagen zu prüfen und eine neue Entscheidung zu treffen. Zuvor muss aber der Stadtrat von Thale erneut über das Bauvorhaben   beschließen. Aktuell ist dies noch nicht erfolgt. Auch hier besteht die Chance, noch einmal die überregionale Bedeutung des technisch unverbauten Bodetales neu zu bewerten.

Kann die sich bislang abzeichnende Fehlentwicklung gegen einen nachhaltigen Natur- und Umweltschutz zum Nachteil des Landes Sachsen-Anhalt auch auf andere Art und Weise verhindert werden ?

Ja, dies ist möglich. Der Flächeneigentümer entscheidet, was auf seinem Eigentum gebaut werden kann. Das Land Sachsen-Anhalt bzw. der Landesforstbetrieb ist Eigentümer des überwiegenden Teils der für den Baumwipfelpfad benötigten Fläche. Hier könnte durch das Ministerium für Umweltschutz und Landwirtschaft eine zweckdienliche Entscheidung getroffen werden. Eine solche Bitte ist Kernpunkt des Offenen Briefes der Teilnehmer der Jahresmitgliederversammlung der Naturschutzverbände des Harzkreises vom 21. 2. 2015.