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25. 6. 2009: Magdeburg, Fachtagung „Aktives Flächenmanagement –Instrumente für eine nachhaltige Entwicklung des Ländlichen Raumes“ Die Alarmsignale der Bauern sind nicht zu überhören – mit jedem Tag reduziert sich die für die Produktion von Nahrungsgütern und für die Erzeugung von agrarischen nachwachsenden Rohstoffen zur Verfügung stehende Fläche. Der Flächenverbrauch für nicht landwirtschaftliche Zwecke beträgt im Durchschnitt der letzten 3 Jahre in Sachsen-Anhalt 4 h ha/Tag. Für den einzelnen Landwirt mag dies nicht existenzbedrohend sein. An der schrittweisen Vernichtung von oft bester Anbaufläche kann niemand vorbeigehen. Erschreckend wird dies aktuell im Umfeld von Magdeburg sichtbar, wo auf besten Schwarzerdeböden riesige Produktionsanlagen entstehen, die auch auf weniger fruchtbarem Sandböden einen guten Platz gefunden hätten. Ein richtiges Flächen-Management für die nicht vermehrbare landwirtschaftliche Nutzfläche steht deswegen auch auf der Tagesordnung der Landespolitik. Dies war auch der Anlass für die oben genannte Fachtagung, zu der Ministerin Petra Wernicke ( Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt) in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien insbesondere die Vertreter der Industrie, die Vertreter der Kreise, Städte und Gemeinden, die Bauernverbände, Landespolitiker, wissenschaftliche Einrichtungen und auch die Naturschutzverbände nach Magdeburg eingeladen hatte. Im Verlauf der Tagung kam die gegensätzliche Vielfalt der Standpunkte und auch einschlägiger Rechtsvorschriften zum Thema voll zum Tragen. Während das Landwirtschaftsministerium mehr auf den Appell zum sparsamen Flächenverbrauch bei besserer Nutzerabstimmung setzte, forderte Staatssekretär Schubert vom Wirtschaftsministerium dazu auf, der Ansiedlung von Großindustrie in Sachsen-Anhalt und der Bereitstellung der dafür erforderlichen sehr großen Flächen an jedem gewünschten Standort keine Hemmnisse in den Weg zu legen, weil Sachsen-Anhalt so am besten seine Zukunft im globalen Konzert der Weltmärkte sichern könnte. Es war nicht zu übersehen, dass hier voll auf ungehemmtes Wachstum auch in aller Zukunft gesetzt wird. Der Vertreter der IHK Halle –Dessau setzte dieser Denkweise nur schwach entgegen, dass Hauptakteur eigentlich die eher klein strukturierte mittelständische Wirtschaft ist, die durchaus auch aktuell nicht genutzte nichtagrarische Flächen nutzen kann. Auf der Basis der Bundes- und Landesnaturschutzgesetzgebung sind Eingriffe in den Naturhaushalt ( z. B. der Entzug von Flächen aus dem Naturhaushalt) durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Basis dafür ist in Sachsen-Anhalt eine Bewertung von Eingriff und Ausgleich/Ersatz mit sogenannten Ökopunkten auf der Basis eine pauschalierten ökologischen Bewertung der Einzelmaßnahmen. Reine Ackerflächen erfahren dabei die geringste ökologische Bewertung. Baumpflanzungen werden mit hohen Punktbewertungen honoriert. Dabei soll der Ausgleich bzw. Ersatz immer so zeitnah und ortsnah wie möglich zum Geschehen des Eingriffes in den Naturhaushalt erfolgen. Diese Rechtsregelung stellt durchaus eine Fortschritt dar, offenbart aber zunehmend Unzulänglichkeiten. Im Rahmen der Veranstaltung wurde dazu aufgeführt, dass bei dem geplanten Bau der Nordverlängerung der A 14 für 1 km Autobahn 5 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bzw. Waldfläche für Trassen und Nebenanlagen benötigt werden. Für den Ausgleich des Eingriffes „Autobahn“ werden nach den bisherigen Regelungen 5- 15 ha weitere zusätzliche Fläche für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erforderlich. Das muss die betroffenen Landwirte, aber auch den gesamten Bauernstand „auf die Palme“ bringen. Diesem Druck der Landwirte entsprach Ministerin Wernicke mit dem Hinweis darauf, dass über eine Reduzierung des Flächenaufwandes für Ausgleichsmaßnahmen nachgedacht werden muss. Ein Vertreter des Naturschutzes ( NABU Niedersachsen) betonte, dass der Ausgleich am Ort des Eingriffes unverzichtbar ist. Gerade dieser Grundsatz hat u. a. dazu geführt, dass Baumpflanzungen oder noch schlechter : Flächen, die der natürlichen Sukzession überlassen werden, auf Flächen, die nicht selten viel größer als die Entzugsflächen sind, zum Hauptinstrument des Eingriffsausgleichs geworden sind. Und dies bei einem schnellen und ungebremsten Prozess der natürlichen Verbuschung und Verwaldung z. B. der naturgeschützen Areale mit teilweise seltenster Trockenrasenvegetation ! Dies führt dazu, dass nicht selten Entbuschung ( Arbeitseinsätze der Naturschutzhelfer) und neue Stauch - u. Baumpflanzungen auf angrenzenden Flächen erfolgen – so im Altkreis Quedlinburg praktiziert. Für die dringend notwendige Pflege und Aufrechterhaltung geschützter Biotope fehlt es schlicht am Geld. Es ergibt sich die Frage, warum nicht die finanziellen Aufwendungen, die jetzt für oft nicht sinnvolle Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen getätigt werden, nicht der Finanzierung der Pflege und artenschutzgerechten Nutzung ( z. B. gesteuerte Schafhutung) zu Gute kommen könnten ? Dazu gab es auf der Fachtagung seitens des Umweltministeriums eine klare, aber negative Antwort: Nein. Grund für das Nein sind die aktuellen Rechtsvorschriften , sicher aber auch festgefahrene Gleise innerhalb der Naturschutz-Verbandslandschaft. Es gibt allerdings erste Versuche des Landes, auch Möglichkeiten eines finanziellen Ausgleichs anzubieten. Ein Anwendungsbeispiel kann die dauerhafte Finanzierung der Unterhaltung eines Ackerwildkräuter-Schutzackers in den Quedlinburger Seweckenbergen sein. Seitens des Bund für Natur und Umwelt Sachsen-Anhalt wurde auf der Tagung auf die Gesamtproblematik aufmerksam gemacht und gefordert, den Reglungen zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen heute und in der Zukunft eine nächste Fachtagung zu widmen. Die nächste Zeit wird zeigen, ob dieser Notwendigkeit entsprochen werden wird. Die Quedlinburger Naturschützer werden auf jeden Fall „am Ball“ bleiben.