Viele unserer Rosskastanienbäume bieten im Herbst einen traurigen Anblick, die Blätter sind welk und großflächig mit braunen Flecken abgestorbenen Gewebes übersäht.
Ursache ist ein Befall durch die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella), auch als Balkan-Miniermotte bekannt. Sie ist ein Kleinschmetterling aus der Familie der Miniermotten (Gracillariidae). Ihre Raupen und Puppen entwickeln sich fast ausschließlich in den Blättern der weißblühenden Gewöhnlichen Rosskastanie (Aesculus hippocastanum).
Der Falter hat eine Körperlänge von 2 bis 3 mm und eine Flügelspannweite von ca. 6 mm. Die Vorderflügel sind metallisch-glänzend, gelblichweiß mit vier hell- bis orange-braunen Querbändern. Die Hinterflügel sind dunkelgrau. Auffällig sind die langen Fransen am äußeren Ende der Hinterflügel, die dem Hinterende des ruhenden Falters ein federartiges Aussehen verleihen.
Über dem Kopf sitzt ein gelbbraunes Haarbüschel. Die langen, fadenförmigen Fühler sind geringelt, die Beine weiß und braun quergestreift.
Im Mai, etwa zur Zeit der Kastanienblüte, schlüpfen die Falter aus den überwinternden Puppen am Erdboden und sammeln sich auf den Blättern der Rosskastanie. Hier legen die Weibchen nach der Paarung bis zu 80 Eier ab.
Die aus den Eiern schlüpfenden Larven minieren in den Blättern, d. h. sie fressen die Zellschichten zwischen den äußeren oberen und unteren Gewebsflächen (Kutikula). Die Larven (Raupen) sind abgeflacht, deutlich segmentiert und haben einen keilförmigen Kopf. Anfangs fressen die Larven parallel zu den Blattrippen linienförmige, weiß erscheinende Gänge, die im Verlauf der nächsten 4 folgenden Larvenstadien zu flächigen Minen ausgefressen werden.
Daran schließen sich in der Raupenentwicklung noch 2 Spinnstadien an, in denen die ausgewachsenen Raupen eine rund-ovale Kokonhülle aus Seidenfäden produzieren, in der sie sich verpuppen. Hier ruhen die Puppen geschützt bis zum Schlupf.
Die über den leergefressenen Minen liegenden Gewebe sterben ab und verursachen die Braunfärbung der Blätter. Die Miniermotte hat zwei (Mai, Juli) bis drei (August/September), in Jahren mit warmen Herbst auch 4 Generationen.
Die Puppen der letzten Generation, aber auch einzelne überlagernde Puppen der vorherigen Generationen, verbleiben im Herbst in den abfallenden Blätter und überwintern in diesen bis zum Frühjahr. Im abgefallenen Laub sind sie in ihren Kokons sehr widerstandsfähig gegen starke Fröste oder Feuchtigkeit.
Die Rosskastanienminiermotte wurde erstmals 1984 in Mazedonien in der Nähe des Ohridsees entdeckt. Das Ursprungsgebiet der Art liegt in vermutlich in Schluchten und Tälern in Albanien, Nordgriechenland und Makedonien, wo die Gewöhnliche Rosskastanie noch natürlich vorkommt.
Seit Mitte der 80ziger Jahre hat sie sich sehr schnell in Mitteleuropa ausgebreitet, sowohl nach Osten als auch nach Westen. Ihre extrem schnelle Vermehrung wird einerseits darauf zurückgeführt, dass sie in Mitteleuropa nur wenige natürliche Feinde hat und mögliche Fressfeinde diese neue Nische noch nicht erschlossen haben. Für die schnelle Ausbreitung spricht weiterhin eine Verschleppung durch den Menschen z. B. durch die regen LKW-Transporte, deren Frachträume Falter während Fahrpausen als Ruheort aufsuchen.
Hauptsächlich wird die weißblühende Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) befallen während rotblühende Formen, z.B. die Rote Rosskastanie (Aesculus pavia) und deren Hybriden, von der Miniermotte weniger bevorzugt werden. Gelegentlich wurde auch Befall an Berg- und Spitzahorn beobachtet.
Die von der Miniermotte verursachten Schäden sind die frühe Verbräunung der Blätter bereits im Spätsommer und der vorzeitige Laubfall. Neben dem optischen Eindruck ist vor allem die Assimilationsleistung der Blätter reduziert und die Bäume werden langfristig geschwächt. Dies kann, besonders bei umweltbelasteten Straßenbäumen, die Anfälligkeit der Bäume gegen weitere Schadorganismen erhöhen.
Eine der wirksamsten Maßnahmen zu Bekämpfung der Rosskastanienminiermotte ist das Sammeln und die Vernichtung des Laubes zur Verminderung überwinternder Puppen. Auch die Förderung natürlicher Feinde (Vögel, Fledermäuse) kann den Befall vermindern. Behandlungen mit chemischen Präparaten sind nicht zugelassen oder, wie der Einsatz von Sexuallockstoffen, wenig wirksam.
Fotos: Dr. E. Schliephake