Am 12. Februar 2025 ist Prof. Dr. Hagen Herdam im Universitätsklinikum Magdeburg verstorben.
Mit Prof. Dr. Hagen Herdam hat die IG Ornithologie und Naturschutz Quedlinburg ein langjähriges Mitglied und einen Freund und aktiven Naturschützer verloren, der sowohl im Bereich der Ornithologie als auch der Botanik über außerordentliche Kenntnisse verfügte und über viele Jahre sein Wissen und seine Erfahrungen in den Dienst des Schutzes unserer Natur und unserer Umwelt gestellt hat. Prof. Herdam hat es verstanden, Mitstreiter zu gewinnen und durch gemeinschaftliche Aktivitäten herausragende Ergebnisse bei der Erfassung der Schätze unserer heimatlichen Natur zu erzielen. Mit seinem selbstlosen Handeln und seinem Engagement für den Schutz der Natur war er für unsere Mitglieder und seine Mitstreiter immer Vorbild. Dies wird so bleiben, auch wenn Prof. Herdam nun nicht mehr selber auf Exkursion gehen kann. Wir werden ihn sehr vermissen.
Prof. Herdam wurde am 7. September 1939 in Halberstadt geboren. Schon in jungen Jahren entdeckte er sein Interesse für die Vogelwelt und die Welt der Pflanzen. Die Kontakte zu den Ornithologen am Heineanum Halberstadt und zu den Halberstädter Floristen um Friedrich Mertens begünstigten den autodidaktischen Erwerb von naturkundlichem Fachwissen. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig und unverzichtbar das Vorbild älterer Spezialisten für das Heranwachsen einer jeweils jungen Generation zukünftiger Naturforscher ist.
Nach dem Erwerb des Abiturs an der damaligen Arbeiter- und Bauernfakultät Halle wurde Prof. Herdam von 1958 bis 1963 zum Studium der Pflanzenzüchtung an die damals führende Landwirtschaftsakademie in Moskau delegiert. Dieser Aufenthalt und die damit verbundenen Praktika ermöglichten die ersten großen Wanderfahrten zum Beispiel in den Kaukasus und das Erleben von einzigartigen Naturräumen. In Moskau lernte Prof. Herdam auch seine zukünftige Frau Ludmilla kennen, die als Jakutin aus dem fernen Sibirien zum Studium nach Moskau delegiert wurde. Dieses familiäre Glück war sicher eine Basis für das weltoffene Denken und Handeln von Prof. Herdam. Zurück vom erfolgreichen Studium in Moskau, begann die berufliche Laufbahn als Pflanzenzüchter in Hadmersleben am damaligen Institut für Getreidezüchtung. Es erfolgten zunächst Arbeiten zur Zuchtmethodik bei Sommergerste und dann bald eine Spezialisierung auf das Gebiet der Entwicklung und Anwendung von Selektionsindizes in der Weizenzüchtung. Dabei kam das besondere Talent von Prof. Herdam für die Anwendung moderner mathematischer Methoden in der Pflanzenzüchtung voll zum Tragen. Die Hinwendung zu modernen Methoden zeichnete den Weg vor für die spätere Nutzung der damals innovativen Computertechnik bei der Bearbeitung von botanischen Kartierungsergebnissen. Auf diesem Gebiet hat Prof. Herdam zweifelsohne Pionierarbeit geleistet.
Die Jahre am Institut in Hadmersleben nutzte Prof. Herdam in seiner Freizeit für intensive ornithologische und floristische Erkundungen in der Nordharz- und Börderegion z. B. im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft Biogeographische Kartierung“. Prof. Herdam war einer der wenigen Ornithologen, die noch die Großtrappe in der Börde-Ackerlandschaft erlebt haben. Von 1977 bis 1983 arbeitete Prof. Herdam im damaligen Mosambik. Es ging dabei um die Entwicklung einer landeseigenen Weizenzüchtung. Auch hier nutzte Prof. Herdam die Freizeit, um intensiv die Vogelwelt Sudafrikas kennen zu lernen. Die erneute berufliche Tätigkeit in der Nordharzregion, ab 1985 als wissenschaftlicher Bereichsdirektor am Quedlinburger Institut für Züchtungsforschung, hatte eine Intensivierung der Zusammenarbeit aller in der Nordharzregion wirksamen Botaniker bei der botanischen Erkundungsarbeit zur Folge. Ein herausragendes Ergebnis dieser Arbeit ist die vom Botanischen Arbeitskreis Nordharz e. V. 1993 veröffentlichte und unter Leitung von Prof. Herdam entstandene „Neue Flora von Halberstadt – Farn- und Blütenpflanzen des Nordharzes und seines Vorlandes (Sachsen-Anhalt)“ sowie die späteren noch von ihm bearbeiteten Nachträge. Mit dieser Publikation wurde auf den deutschlandweit einmaligen Artenreichtum dieser Region aufmerksam gemacht. Die Ergebnisse fanden auch ihre Berücksichtigung bei der Planung des Verlaufs der heutigen A 36. Insbesondere die Leistungen bei der floristischen Erforschung der Nordharzregion wurden 1999 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes geehrt.
Mit dem berufsbedingten Wechsel nach Quedlinburg begann auch die Mitgliedschaft von Prof. Herdam in der IG Ornithologie und Naturschutz Quedlinburg. Dadurch wurde die ehrenamtliche Tätigkeit dieser IG enorm bereichert, sei es in Form von Fachexkursionen oder Vorträgen oder der Weitergabe von exzellentem Fachwissen.
Es gab keine Pflanze, deren Artzugehörigkeit Prof. Herdam nicht kannte und deren spezifische Erkennungsmerkmale er geduldig erklärte. DieVeränderungen in der Forschungslandschaft hatten zur Folge, dass nach 1991 die wissenschaftliche Tätigkeit von Prof. Herdam auf dem Gebiet der Züchtungsforschung keine Fortsetzung fand. Bis zum Erreichen des Rentenalters erfolgte nun eine freiberufliche Tätigkeit. In diesem Rahmen wurden die geobotanischen Kartierungsarbeiten auf ganz Sachsen-Anhalt ausgedehnt. So verfügte Prof. Herdam über herausragende Standortkenntnisse nicht nur für die Nordharzregion und über ein sicheres Gefühl dafür, welche Artvorkommen unter den jeweiligen Standortverhältnissen zu erwarten waren. Seine floristischen Forschungen waren immer durch das Bemühen charakterisiert, historische Standortangaben zu überprüfen und mit den heutigen Vorkommen in Bezug zu setzen. Dies führte zu unerwarteten Bestätigungen alter Vorkommen, aber allzu oft zum schmerzvollen Erkennen des ungebremsten Arten- und Standortverlustes, den die uns umgebende Natur erleidet. Dies ließ Zweifel daran wachsen, ob es uns Menschen gelingt, die Naturreichtümer unserer Erde für zukünftige Generationen zu erhalten und bekräftigte den ständigen Apell, Naturzerstörungen Einhalt zu gebieten. Diesem Aufruf fühlen sich die Mitglieder unserer IG verpflichtet.
Nach 1990 hat Prof. Herdam viele Reisen zu den noch existierenden großartigen Naturräumen unserer Welt unternommen und in vielen öffentlichen Vortragsveranstaltungen z. B. in unserer IG darüber berichtet. Hier sei an die Vorträge über Jakutien, über Kamtschatka und seine Bären oder über Exkursionen in Südfrankreich und Nordspanien erinnert. Die Erinnerung an Prof. Herdam als Naturerkunder und Mahner wird nicht verblassen.
Dr. Werner Wandelt