Die Welt im Sortennamen
Ein interessierter Blick in alte Preislisten und Samenkataloge, hier vier Kataloge der Deutschen Saatzucht Gesellschaft von 1950 bis 1968, kann zu einer Weltreise werden. Heute sind die meisten Sortennamen von Gemüse, Blumen und Heilkräutern Kunstschöpfungen. Zahlreiche Frauennamen gab und gibt es für Tomatensorten wie u.a. 'Nadja', 'Tamina', 'Uta', 'Almut' und 'Katrina'. Vor siebzig Jahren wurden die Herkunft der Sorten oft noch im Namen deutlich. In den Gemüse- und landwirtschaftlichen Sorten spiegelte sich der Stolz auf den jeweiligen Zuchtstandort wider.
Dabei ging es international zu: von ‘Amerikanischer Brauner‘, ‘Amsterdamer‘, ‘Böhmischer Strunk‘ (Kohlrabi), ‘Cantoner (Eissalat)‘, ‘Delfter Markt‘ (Blumenkohl), ‘Deutscher‘ (Feldsalat), ‘Pariser Markt‘ (Möhre) bis zu ‘Wiener Markt‘ (Knollen-Sellerie).
Aber auch gesamtdeutsche Namen waren gebräuchlich: ‘Amager‘ (Kopfkohl), ‘Braunschweiger‘ (Weißkohl, Zwiebel), ‘Dithmarscher früher‘ (Kopfkohl), ‘Glücksstädter Mittelfrüher‘ (Weißkohl), ‘Maleksberger‘, bei Segeberg, (Senf und Rübsen), ‘Rastatter Kleinkörnige‘ (Ackerbohne), ‘Rheinische‘ (gelbe Futterrübe), ‘Stuttgarter Riesen‘ (Zwiebel).
Hauptsächlich waren es dann aber doch ostdeutsche Sorten mit den ortsbezogenen Bezeichnungen. Besonders auffällig ist dies bei den Städten Aschersleben, Hadmersleben, Erfurt und Quedlinburg, alles traditionelle Züchtungsstandorte für Gemüse und Zierpflanzen.
Sechs Busch- und Stangenbohnen trugen den Ortsnamen Ascherslebener, wie z.B. die Stangenbohne ‘Ascherslebener Auenstolz‘ und die Buschbohne ‘Ascherslebener Prinsa‘.
‘Hadmerslebener Brunsviga‘, ‘Hadmerslebener Diadem‘ und weiteren acht Sorten aus der Zuchtstation der ehemaligen Terra AG, Aschersleben und die spätere Abteilung Gemüsezüchtung des Instituts für Pflanzenzüchtung der Deutschen Akademie für Landwirtschaft sowie der Winterweizen-Getreidezüchtung, ehemals Heine.
Fünf Sorten präsentierten die stolze Blumenstadt Erfurt mit ihren vielen Saatzucht-Unternehmen: ‘Erfurter Zwerg‘-der deutschlandweit bekannteste Blumenkohl mit verschiedensten Nachbauten und ‘Heinemanns Erfurter Auslese‘, eine Rosenkohlsorte. Dazu kam noch der Kohlrabi ‘Erfordia‘.
Die Deutsche Saatzucht Gesellschaft in Quedlinburg ging aus vier großen Privatfirmen hervor. Um 1950 wurden noch viele alte Sortennamen verwendet, was auch als Stolz auf die Leistungen der damaligen Züchter gewertet werden kann.
Bis 1968 trugen allein 27 Sorten die Bezeichnung Quedlinburger im ersten Teil ihres Namens. Nach 1991 wurde sogar der Stadtname nachträglich hinzugefügt. Die ‘Frühe Liebe‘ (1951), eine sehr frühe Tomatensorte und spätere Mutterlinie der erfolgreichsten DDR-Tomate ‘Harzfeuer F‘, beide von Friedrich Fabig gezüchtet, wurde anonym auch als ‘Quedlinburger frühe Liebe‘ bezeichnet. Seit 2020 gibt es mit einer Fleischtomate auch ein ‘Quedlinburger Ochsenherz‘.
Besonders Erbsen-, Busch- und Stangenbohnen- sowie Radieschen- und Spinatsorten waren Quedlinburger, z.B. ‘Quedlinburger Fest und Früh‘ (Radieschen) und ‘Quedlinburger Lange Brech II‘ (Buschbohne), ‘Quedlinburger Delex‘ (Markerbse) und ‘Quedlinburger Fortschritt‘ (Spinat).
Die Stangenbohne ‘Quedlinburger Speck‘ ist sicher vielen Älteren bekannt und wird in Haus- und Kleingärten heute noch gern angebaut. Die Quedlinburger ‘Allgefüllte‘ Sommer-Levkojen präsentierten über Jahrzehnte die Leistungen von Kappert, Pauly und Schreiber. Schon der Blumenfachmann der Gebr. Dippe AG, Robert Beist, wusste, wie gefüllte Levkojen (Matthiola) gezüchtet werden.
Von A, wie ‘Altenburger Tonnen‘-eine Futterrübe, bis Z, wie ‘Zittauer Gelbe‘ (Speisezwiebel) ging die Reise durch die DDR-Sortennamen. Hier die einzelnen „Stationen“:
‘Bautzener‘, Futterpflanze.
‚Bendelebener‘, Luzerne.
‘Bernburger‘, wie z.B. „Bernburger Einhäusiger“, eine Hanfsorte. Es gab sieben Sorten, die wohl meist von der Firma Braune in Biendorf stammten, darunter eine Zuckerrübensorte.
‘Bördeperle‘, ‘Börderose‘ und die Erbse ‘Bördi‘, ‘Bördeweiß‘, Weißhafer.
‘Criewener Gelbe‘, eine Kohlrübe und der Winterweizen ‘Criewener 192‘ aus der Nähe von Schwedt.
‘Derenburger Silber‘, Winterweizen.
‘Dornburger Weißblühende‘ und fünf weitere landwirtschaftliche Sorten
‘Dresdener Plattrunde‘ war eine Speisezwiebel. Dazu kamen der Knollen-Sellerie ‘Dresdener Markt‘ und eine Tomatenauslese mit gleichem Namen.
‘Etterberger‘, Sommerwicken.
‘Flämimgsgold‘ und ‘Flämingstreue‘, Hafer.
‘Friedrichswerther Berg‘ hießen eine Ackerbohne und eine Wintergerste, eine ‘Friedrichswerther‘ war eine Futterrübe.
‘Gülzower Süße Blaue‘ war eine Süßlupine, dazu der Sommerraps ‘Gülzower‘.
‘Hohenthurmer Gleichzeitig Reifender‘, ein Hanf.
‘Hohenfinower Vierzeilige‘, Sommergerste.
‘Kleinwanzlebener‘ stand für Zuckerrüben aber auch andere landwirtschaftliche Kultursorten.
‘Langensteiner‘ standen für Zuckerrüben, Winterweizen und Luzerne.
‘Lobericher‘, Futterrüben, Futtermöhre.
‘Löbauer Blau‘, ein Faserlein.
‘Magdeburger Markt‘, Knollen-Sellerie.
‘Mahndorfer‘, nahe Halberstadt, waren Mais- und Wintergerstensorten.
‘Mansfelder Grüne‘ sind Erbsen
‘Mecklenburger Marien‘, ein Winterroggen.
‘Motterwitzer‘, Glatthafer, Wiesenfuchsschwanz, Rohrglanzgras, Welsches Weidelgras.
‘Müncheberger Weiko III‘ und Müncheberger Blaue Süß II waren Lupinensorten.
‘Neugatterslebener‘, Luzerne.
‘Oderdörfer‘, Knollen-Sellerie.
‘Petkuser‘ hießen je ein Sommer- und ein Winterrogen.
‘Paunsdorfer‘, Winterwicken.
‘Plaussiger‘, eine Luzerne.
‘Probsthaidaer‘, Weißklee.
‘Rügener‘, Sommerwicken.
‘Schlanstedter‘, Ackerbohne.
‘Teltower Kleine‘, Mairübe.
‘Thüringer‘, Luzerne.
‘Zernickower‘, Rotschwingel.