Gustav Adolf Dippe – 200 Jahre
(18.9.1824 Quedlinburg - 14.11.1890 San Remo)
Die Gärtnerei mit kleinem Samenhandel der Eltern stand 1836 vor dem Aus. Acht Jahre später übernahm er sie. Bei seinem Tod 1890 besaß Gustav Adolf Dippe das „vielseitigste Großzüchtungsunternehmen der Welt.“1,2
Es ist die Gegend zur Bode hin mit Blick zu den Harzbergen, uraltes auf einem Word gelegenes Gartenland, westlich flankiert von dem alten Handelsweg zwischen Neuweger Tor und Stumpfsburger Brücke. Hier hat der Junge seine Kindheit verlebt. Heute umfasst es im Kern das Areal des Dippehofes, umschlossen von Seilergasse, Turnstraße und Neuem Weg. Der geschlossene Dippesche Stammbaum geht bis auf das Jahr 1697 zurück, Gustav Adolf steht mit seinen Geschwistern in der 5. Generation. Stolz war die Familie auf Christian Dippe vom „Nieen Weje“, der am Juni 1754 als Mitglied der Gärtner-Deputation den preußischen König, Friedrich den Großen, vor Quedlinburg begrüßen durfte.3 Ein weiterer Vorfahr, Christoph Heinrich, zog 1741 „Die Grund“ zum Garten und kaufte am 19. April 1742 noch die „Worth“ dazu. Sechs Jahre hatte er auch den Abteigarten gepachtet. Schließlich baute er zwischen 1742 und 1745 ein Wohnhaus am Neuen Weg, in dem auch Gustav Adolf mit seinen Geschwistern noch aufwuchs. Außer seiner Familie wohnten hier noch zwei, drei kleinere Gärtnerfamilien und einige Bürger aus der Stadt besaßen vor dem Neuweger Tor ein Gartenhäuschen, darunter war auch der Garten des Apothekers Junius. Noch stand der alte Torturm im Neuen Weg, obwohl sein Abriss schon beschlossen war. Unmittelbar daran grenzte westlich der Gasthof „Zum Stiefel“ und in dessen Nähe lag auch das Haus des Steueraufsehers. Tagsüber hatte jener die Gebühren für eingehende steuerpflichtige Waren einzunehmen.
Doch 1836 stirbt plötzlich der Vater im Alter von nur 50 Jahren. Außer seiner Witwe, Anna Magdalena, hinterließ er sechs Kinder, darunter zwei unmündige: Gustav Adolf und sein Bruder Christoph Lorenz. Die elterliche Gärtnerei sollte nach dem Willen des von der Stadt eingesetzten Ober-Vormunds verkauft und der Erlös unter den Söhnen verteilt werden. Doch der noch vom verstorbenen Vater eingesetzte Vormund verhinderte es. Daraufhin führte die Mutter das Geschäft auf eigene Rechnung. Leicht war es für alle sicher nicht. Aus Geldnot musste Gustav Adolf nach der Quarta das Gymnasium verlassen und begann stattdessen mit 15 Jahren eine dreijährige Lehre bei Martin Grashoff. Dazu brauchte er nur die Straße zu wechseln. Die Gegend „vor dem Neuwegerthor“ war schon seit Jahrhunderten ein „Mistbeet“ des Gartenbaues und der Gartenkunst gewesen. Sein Lehrherr hatte in den 1820er Jahren die erste „Samenhandlung en gros“ (Kaufmannssprache: in großen Mengen) in der Stadt gegründet. Martin Grashoff musste den stillen, strebsamen Jungen oft zähmen, der jeden Morgen der erste im Garten war und vorher schon eine Stunde Französisch im Bett gelernt hatte. Öfter lockte er ihn geradewegs von den Büchern weg und schickte ihn zu Einkäufen von Sämereien über Land, bis nach Eisleben hin. Nicht nur mit gärtnerischen Kenntnissen ausgerüstet, sondern auch mit kaufmännischem Geschick versehen, übernahm der noch nicht 20-jährige Gustav Adolf 1844 die Gärtnerei seiner Mutter und führte sie bis 1850 unter dem bisherigen Namen „Johann Martin Dippes Witwe“ weiter.
Am 1. März 1850 übernahmen er und sein Bruder Christoph Lorenz (1819-1895) die elterliche Gärtnerei mit kleiner Samenhandlung. Die beteiligten Miterben fanden sie nach dem Vermögenswert von 9.450 Reichstalern ab. Noch im gleichen Jahr, am 19. November, heiratete Gustav Adolf seine Johanna Henriette Dorothea Graßhoff aus Timmenrode (1824-1870). Der Schwiegervater verkaufte daraufhin sein Bauerngut und beteiligte sich mit seinem Vermögen an der Dippeschen Gärtnerei. Die Firma der Gebrüder Dippe ähnelte bei ihrer Gründung 1850 noch eher einer Gärtnerei als einem Saatzucht- und Handelsbetrieb. Überhaupt hatten sie sich zunächst mit der Züchtung von Blumen beschäftigt. Nach städtischen Angaben besaßen Gustav und Lorenz Dippe 1853 17 ½ Morgen eigenen Acker und 29 Morgen hatten sie dazu gepachtet, nutzten also rund 12 Hektar. Zum Hof gehörten zwei Pferde, vier Kühe und drei Schweine. Der Vater hatte 1826 mit zwei Ochsen gewirtschaftet und hatte außerdem noch 20 Schafe gehalten. Vier Gesellen und zwei Lehrlinge arbeiteten 1853 in der Gärtnerei. Hinzu kamen zwei Mägde und ein Knecht. Auch die Schwiegereltern lebten und halfen mit auf dem Gehöft am Neuen Weg.4
Der Bruder, Christoph Lorenz, hatte 1849 das Haus in der vor dem „Neuwegerthore“ 67 (nach neuer Zählung Turnstraße Nr. 1) erworben, nannte es „Jesu mein Beistand“ - und lebte darin bis zu seinem Tod. Die Mutter starb am 9. Februar 1854. Krankheitshalber stieg Lorenz später aus dem Unternehmen aus. Laut Firmenregister vom 15. Mai 1863 ist sein Bruder Gustav Adolf Dippe alleiniger Inhaber. Der Firmenname „Gebrüder Dippe“ blieb dennoch unverändert. Seinen Bruder bestellte er zum Prokuristen.5.Lorenz beließ seinen Anteil in der Firma, für die er auch als Züchter und Buchhalter gemäß seinen Kräften erhalten blieb.
Gustav Adolf war ein Mann seiner aufstrebenden Zeit, der sich zugleich an seine Wurzeln gebunden fühlte. 40 Jahre stand er seiner Firma vor. Sie lässt sich einteilen in eine Zeit vor und nach 1870. Sichtbar schon an den Häusern. Bereits in der vierten Generation bewohnte die Familie das vorab erwähnte, 1745 fertiggestellte, schlichte Haus „vor dem Neuwegerthor“. Ein repräsentatives Wohnhaus zu bauen, lehnte Dippe lange ab: Seine Kunden kämen, um seine Saaten zu sehen und nicht das alte Vaterhaus – das bleibe stehen, denn darin sei er geboren und in diesem Hause wolle er auch sein Leben beschließen. Neben seinen vier Kindern wohnten auch noch etliche Gärtnerburschen darin. Erst 1870 gab er dem Drängen nach und erteilte den Auftrag zum Bau eines neuen Hauses. Es entstand die im neobarocken Stil geprägte Villa vor dem „Neuwegerthore 63/64“, heute Neuer Weg 20.
Kredite aufzunehmen, widerstrebte ihm prinzipiell. Tapfer sagte er: „Ich baue Saatspeicher und Scheunen, doch nicht mit geborgtem Geld.“ Jeder verdiente Pfennig wurde so in das Unternehmen gesteckt. Und das Geschäft wuchs Jahr für Jahr. Seinen ersten Samenspeicher hatte er in Blankenburg auf Abbruch gekauft und hier wieder aufgebaut. Jedes Jahr kamen auch neue Äcker hinzu, aber nur so viele, wie er bezahlen konnte. War es bisher stetig voran gegangen, vergrößerte sich nach 1870 die Ackerfläche rasant. Ähnelte bisher der Dippehof teilweise noch einem Zuchtgarten, so änderte sich das ab 1870 – da begann das große Bauen auf dem Dippehof. Das Baukonzept war großzügig und wurde auch den Anforderungen des 20. Jahrhunderts noch gerecht.
Abb.1: StA Quedlinburg: Plan von Th. Sommer um 1850.
Abb.2: Dippehof 1885, Firmenschrift-Jubiläum: 75 Jahre,1925. Der Dippehof war zum Teil noch ein Zuchtgarten.
Abb.3: Wohnhaus der Dippes von 1745 bis Anfang der 1870er Jahre. Dippe hing an dem schlichten Haus aus dem 18. Jahrhundert, in dem er geboren war und in dem er auch sein Leben beschließen wollte. Im Jahr 1870 gab er dem Drängen nach und erteilte den Auftrag zum Bau der Villa im neobarocken Stil.
Abb. 4: Ehemalige Dippe-Villa im Jahr 2024
Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit der IG Saatzuchttradition erstellt und erschien am 13. Mai 2024 in der Quedlinburger Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung (Seite 10).
Quellen
1 Wirtschafts- und Technikgeschichte Preußens von Wilhelm Treue, E-Book, 2011, S.514.
2 https://www.deutsche-biographie.de/sfz10185.html : Dippe, Gustav Adolf, Saatzuchtunternehmer.
3 Historische und moderne Garten- und Parkanlagen, zusammengestellt von Kurt Schuchardt.
4 Stadtarchiv Quedlinburg. Seelenbuch des Westendorfes und der Vorstädte von 1853.
5 Löschung und Eintragung beim Königlichen Kreisgericht Quedlinburg vom 15. Mai 1863. In: Magdeburgische Zeitung, Nr.117, 22. Mai, 1863.
6. Bruno Paul Schaumburg: Dippe, der Mustergärtner in Quedlinburg, in: „Männer aus eigner Kraft“, Leipzig 1938